Heuschrecken (Orthoptera) sind eine Ordnung der Insekten, bei der man zwei Gruppen unterscheidet: die Langfühlerschrecken und die Kurzfühlerschrecken. In Deutschland gibt es ungefähr 80 verschiedene Arten, wovon am Unteren Niederrhein knapp 30 Arten nachgewiesen werden konnten. Von diesen 30 Arten steht die Hälfte auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten NRW. Heuschrecken besiedeln verschiedene Lebensräume, von schütteren Ruderalflächen über Wiesen bis in Hecken und Bäume kann man sie bei uns finden.

Eine der auffälligsten Eigenschaften ist das Zirpen der Männchen. Bei sonnigem Wetter kann man sie stundenlang um die Wette zirpen hören, einige Arten sogar bis in die Nacht hinein. Dazu nutzen sie verschiedene Zähne, Leisten und Adern an ihren Flügeln oder Beinen. Das Zirpen ist ähnlich wie das Zwitschern der Vögel arttypisch und häufig ein entscheidendes Bestimmungsmerkmal. Dadurch kann man viele Heuschreckenarten im Vorbeigehen bestimmen, ohne sie einzeln fangen zu müssen. Experten sprechen dabei von einer „nicht-invasiven“ Erfassungsmethode.

Die verschiedenen Heuschreckenarten haben im Detail unterschiedliche Ansprüche an ihren Lebensraum. Manche brauchen eher feuchten Boden zur Eiablage, andere bevorzugen trockenwarme Standorte. Es gibt Heuschrecken, die ihre Eier in verschiedene Pflanzenteile ablegen und deshalb Saumstreifen benötigen, die auch über den Winter hinaus nicht gemäht werden dürfen. Gleichzeitig sind Heuschrecken sehr mobil. Sie können weit springen und viele Arten haben Flügel, sodass sie eine Fläche verlassen können, wenn sich die Umweltbedingungen zu sehr verschlechtern.

All diese Eigenschaften (unterschiedliche Lebensraumansprüche, auffälliges Zirpen, relativ hohe Mobilität) machen die verschiedenen Heuschreckenarten interessant für Lebensraumuntersuchungen. Man kann, in gewissen Teilen, an der lokalen Heuschreckenpopulation Informationen des Lebensraums ablesen. Heuschrecken sind gute ökologische Indikatororganismen.

Untersuchungen der Heuschrecken

Die Heuschreckenerfassung war für das Jahr 2022 vorgesehen. Da die Heuschreckensaison in etwa ab Juni/Juli beginnt und ab Mitte Juni in den Naturschutzgebieten zum ersten Mal gemäht werden darf, waren vier Erfassungen für Juli bis September vorgesehen. Anfang September 2022 gab es jedoch einen starken Wetterumschwung. Das vormals sehr trockene und heiße Sommerwetter änderte sich, es regnete bei herbstlichen Temperaturen etwa zwei Wochen am Stück bei Temperaturen um 10°C. Die Erfassung der Heuschrecken war dadurch im September nicht mehr möglich. Die Tiere verpilzen bei kalt-feuchtem Wetter schnell. Ende September waren trotz wieder warmen und trocknen Wetters keine Heuschrecken mehr zu finden. Deshalb wurden zwei Durchgänge in Juli und August 2022 und zwei Durchgänge in August und September 2023 durchgeführt. 

Dazu wurden jeweils drei Flächen der Kategorien eingesäte "Kindheitswiese", vegetationskundlich eher "artenarme" und vegetationskundlich bereits sehr "artenreiche" Flächen entlang von drei etwa 100 m langen Transekten begangen und alle verhörten und gesehenen Heuschrecken erfasst. Das erste Transekt lag jeweils auf einem Schonstreifen, der zum Schutz der Insekten bei der Mahd ausgepart wird. Im Fall der Kindheitswiesen lag dieser Schonstreifen ebenfalls entlang der im Vorgängerprojekt mit Regio-Saatgut eingesäten Streifen.

Insgesamt wurden 11 verschiedene Arten bei der Untersuchung gefunden. Von insgesamt 4.208 erfassten Heuschrecken gehörten etwa 49% zur Art des Gemeinen Grashüpfers (Pseudochortippus parallelus) und etwa 35% zur Art der Nachtigall-Grashüpfer (Chortippus biguttulus). Beide Arten gehören zu den Generalisten unter den Heuschrecken: sie bevorzugen trocken-warme Standorte, ernähren sich von einer Reihe von verschiedenen Gräsern und legen ihre Eier in die obere Bodenschicht ab. Keine andere der gefundenen Arten erreichte eine Häufigkeit von 5%. Die einzige gefundene Art, die auf der Roten Liste aufgeführt wird, ist die Sumpfschrecke (Stethophyma grossum). Sie gilt im Niederrheinischen Tiefland als „stark gefährdet“. Mit 16 Individuen, liegt ihr Anteil an allen gefundenen Arten allerdings bei etwa 0,4%.

Betrachtet man die einzelnen Flächenkategorien gesondert, so zeigt sich, dass die artenarmen Flächen insgesamt mit knapp 39% die meisten Heuschrecken beherbergten. Auf den Kindheitswiesen wurden etwa 33% aller Heuschrecken gefunden, auf den artenreichen Flächen etwa 28%.

Interessant ist außerdem die Betrachtung der Funde bei den einzelnen Transekten. Mit etwa 39% wurden die meisten Heuschrecken auf dem 1. Transekt, bzw. den Schonstreifen, erfasst. Im zweiten und dritten Transekt wurden 30% bzw. 31% der Heuschrecken erfasst.

All diese Informationen lassen darauf schließen, dass das vegetationskundliche Artenreichtum auf den untersuchten Flächen nicht das maßgebliche Kriterium für die Lebensraumqualität der Heuschrecken darstellt. Alle Flächen werden als Mähwiese genutzt. Die Mahd stellt einen erheblichen, negativen Einfluss auf Heuschreckenpopulationen dar. Viel entscheidender scheint auf den untersuchten Flächen die Größe und das Vorhandensein von Schonstreifen. Dabei können auch die Positionen anderer Schonstrukturen auf Nachbarflächen eine große Rolle spielen.